Skip to main content

Kowloon Walled City oder Hak Nam

Kowloon Walled City war eine kleine chinesische Bastion innerhalb, des von den Briten besetzten, Hongkongs. Nur etwa 210 Meter mal 120 Meter groß und mit geschätzten 30.000 Einwohnern das am dichtesten besiedelte Gebiet der Erde, entzog sich die, vielfach auch City of Darkness genannte, Stadt dem Einfluss der britischen Regierung und wurde inoffiziell vom chinesischen Verbrechersyndikat, den Triaden, regiert.

Kowloon Walled City Park

Kowloon Walled City Park ©iStockphoto/AndresGarciaM

Um sich ein Bild davon zu machen, wie dicht besiedelt Hak Nam tatsächlich war, stelle man sich einfach vor, alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland würden gemeinsam in Berlin wohnen. Doch die Bevölkerungsdichte allein war nicht der Grund dafür, dass die Stadt 1995 dem Erdboden gleichgemacht und in einem Park umgewandelt wurde. Kowloon Walled City war zu einem Moloch geworden, einem riesigem Slum, der Gesetzeslosen und Gestrandeten die Möglichkeit gab, außerhalb jedweder offiziellen Gesetze zu leben.

Ursprünglich war Kowloon ein kleines Fort, dass den Soldaten der Song Dynastie im Jahre 1000 nach Christus als Herberge diente. Im Opiumkrieg besetzten die Briten im Jahre 1842 die Insel Hongkong, doch das kleine Fort, direkt an der Frontlinie auf der Halbinsel Kowloon, blieb im Besitz der Chinesen und wurde von diesen im Jahre 1847 mit einer Mauer befestigt. So wurde aus dem ehemaligen Fort die „Walled City of Kowloon“. Als Hongkong von den Briten im Jahre 1898 nach zähen Vertragsverhandlungen ganz offiziell für 99 Jahre gepachtet wurde, schloss man Kowloon Walled City ganz ausdrücklich aus, da die Chinesen unnachgiebig auf den Besitz der Walled City bestanden.
Als die Briten das Abkommen schon Monate später brachen und die Stadt stürmten, waren die chinesischen Besatzer verschwunden und man fand Kowloon mehr oder weniger leer vor. Die Briten aber kümmerten sich in der Folge nicht um Kowloon und so verfiel das ehemalige Fort langsam.

Während der Besetzung Hongkongs im zweiten Weltkrieg durch die Japaner verlor Kowloon seine Mauer, da die Japaner Baumaterial für den nahe gelegenen Flughafen KaiTak Airport benötigten. Noch im Jahre 1947 lebten nur 2000 Menschen in Kowloon City. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs aber machten die Chinesen ihren Anspruch auf die Stadt wieder geltend und damit wurde Kowloon in den kommenden Jahren zu einem Unterschlupf für viele Flüchtlinge. Als die Briten im Jahre 1947 noch einmal in die Stadt eindrangen, kam es zu so massiven Protesten, dass man endgültig beschloss die Stadt sich selbst zu überlassen.

Die chinesischen Triaden übernahmen in den kommenden Jahren und begannen alle Angelegenheiten innerhalb der Stadt auf ihre Weise zu regeln. Die Bevölkerung wuchs unaufhörlich aufgrund der billigen Mieten und aufgrund der Tatsache, dass keine Steuern erhoben wurden. Zwar verlangten die Triaden Schutzgeld von jedem in der Stadt ansässigen Gewerbe, doch für die meisten Geschäftsinhaber war Kowloon ohnehin die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, zumal die ansässigen Fabriken auch von niemandem kontrolliert wurden. Hunderte von kleinen Fabriken, oftmals Ein-Mann-Gewerbe, verbreiteten sich in der Stadt. In Kowloon war absolut alles möglich: Zahnärzte, die ihren Beruf ohne Genehmigung ausführten, Wahrsager, Drogenküchen, Prostitution, Apotheken mit traditionellen chinesischen Heilkräutern, kleine Betriebe aller Art, mit Maschinen die zum Teil aus der Vorkriegszeit stammten, und Betriebe, die Nudeln oder Chinarollen herstellten, in Räumen ohne Belüftung, ohne sanitäre Anlagen, ohne fließendes Wasser, in Gesellschaft von Hunderten von Ratten, Kakerlaken und Küchenschaben. Die in Kowloon ansässigen Nahrungsmittelgewerbe waren Zulieferer für viele Restaurants in Hongkong und Umgebung. Die Stadt war zum Zufluchtsort für viele Gestrandete geworden, für alle, die sich aus irgendeinem Grund außerhalb der regulären Gesellschaft befanden.

Innerhalb Kowloons fanden vielerlei Baumaßnahmen statt, die jedoch völlig ungeplant vonstatten gingen und die dazu führten, dass die Stadt in den kommenden Jahren in der Höhe immer weiter wuchs. Durch die immer dichter werdende Bebauung entstand aus den 350 Gebäuden, die durch vielerlei Gänge und Stege labyrinthartig miteinander verbunden waren, im Laufe der Zeit ein einziger riesiger Gebäudekomplex. Bald konnte innerhalb Kowloons niemand mehr sagen, welches Wetter außerhalb der Stadt herrschte, geschweige denn welche Tageszeit gerade war.

Das Abwassersystem funktionierte in vielen Teilen der Stadt nicht und auch die Versorgung mit Trinkwasser war ein Problem. Es gab mehrere Wasserstellen, welche die Einwohner nutzten, um sich mit Wasser zu versorgen und die ebenso als Waschplatz dienten.
Auch Elektrizität war in vielen Teilen Hak Nams nicht vorhanden. Massen an Kabeln, von vielen illegal angezapften Leitungen, schlängelten sich an den feuchten Decken entlang. Hier und dort floss das Wasser an den Wänden hinunter und hinterließ Pfützen in den, mit Unrat gefüllten, Gängen, die sich anstatt von Straßen durch die Stadt schlängelten.

In der Mitte der Stadt befand sich der alte Amtssitz, das Verwaltungsgebäude der chinesischen Regierung. Hier war der einige Platz innerhalb des Gebäudekomplexes, der noch vom Tageslicht profitierte und auch Treffpunkt war, um Karten zu spielen oder sich zu unterhalten.
Eine kleine Schule und ein Altersheim befand sich hier. Auch einen kleinen Kindergarten der Heilsarmee gab es in Kowloon. Leider aber konnte dieser nur wenige Kinder aufnehmen. Gegessen und geschlafen wurde in den Räumlichkeiten ohne Frischluftzufuhr, mit nur einem Ventilator unter der Decke, im Schichtbetrieb. Während ein Teil der Kinder schlief, aßen die anderen und dann wurde gewechselt. Viele der Kinder, die nicht das Glück hatten im Kindergarten aufgenommen zu werden, wurden tagsüber entweder sich selbst überlassen oder aber mit zur Arbeitsstelle genommen, wo sie schon mit vier oder fünf Jahren in die Produktionsprozesse mit eingebunden wurden.

Im Jahre 1963 versuchte die Regierung Hongkongs noch einmal zu intervenieren, da die Verhältnisse in Kowloon den Briten inzwischen ein riesiger Dorn im Auge waren. Unangekündigt drang man nachts in die Stadt ein, doch die Proteste der Einwohner bekamen Unterstützung von Seiten Chinas und waren abermals so groß, dass auch dieser Plan scheiterte.

1986, mit Ablauf des Pachtvertrags und im Hinblick auf die Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik China, beschlossen beide Regierungen gemeinsam den Abriss von Kowloon Walled City. Zunächst wurde der Plan geheim gehalten und erst am 14. Januar 1987, kurz vor der Erfassung der Einwohner durch einige Hundertschaften von Polizeibeamten, offiziell bekanntgegeben.

Trotz der unfassbar schlechten Lebensbedingungen und der Tatsache, dass die Regierung Hongkongs für eine Umsiedlung sorgte und die Einwohner der Stadt entschädigte, weigerten sich einige Bewohner die Stadt zu verlassen und mussten zwangsevakuiert werden. Von den ehemaligen Bewohnern Hak Nams hört man auch heute noch viele positive Stimmen vom gemeinschaftlichen Leben in der Stadt. Ein Leben in einem Zustand harmonischer Anarchie wurde der Stadt nachgesagt. Tatsächlich scheint die Stadt für viele der Bewohner auch Lebensart und trotz der Enge in den Straßen ein Ausdruck von Freiheit gewesen zu sein.

Im April 1993 wurde Kowloon City dann letztendlich von einer großen Abrissbirne niedergerissen und zwei Jahre später, im Jahr 1995, eröffnete an ebenjener Stelle der Kowloon City Park. Auch ein Museum über die Walled City ist im Park zu besichtigen, das vielerlei historische Artefakte enthält und von der Geschichte der Stadt erzählt.

Top Artikel in Hongkong Allgemein